Systemverhaftung — Eine Performance

Ort: Volkshochschule Essen – Vorplatz
Zeit: 26.9. bis 27.9.1980
Aktive Teilnehmer: Künstlerische Gestaltung: Karl–Heinz Pudelski, Gelsenkirchen
Hartmut T. Reliwette, seinerzeit Essen u. Gelsenkirchen (beide inzwischen ehemalige Gestalter des Berufsfindungs- und Arbeitstherapiebereiches der Sozialtherapeutischen Anstalt Gelsenkirchen)
Textdokumentation: Ingo Halenta, Essen
Lesung: Autor Detlef Marwig
Fotografie: Jürgen Leiendecker, Essen
Autospende: Kfz-Teile und -Verwertung Franz Maag, Essen

 

Während der zweitägigen Performance wurde ein Kraftfahrzeug (als technisches System) in seine Einzelteile zerlegt und im weiteren Verlauf wieder zusammengeschweißt. Die Funktion wurde zerstört. Die einzelnen Teile in einen anderen Zusammenhang gebracht. Es entstand eine metallene Skulptur. Anwesende Personen wurden in den Prozess eingebunden. z.B mit Schweißarbeiten oder Waschvorgängen.

Gesellschaftliche Systeme, Verhaltensweisen werden anerzogen, gelehrt, übernommen. Man begegnet diesen Systemen überall und in vielen Formen und Variationen im gesellschaftlichen Zusammenleben. So zum Beispiel wurden Teile des Fahrzeugs gewaschen und anschließend demontiert, z.B. Scheiben, die nicht wiederverwertet wurden, was normalerweise widersinnig ist, so als wasche man Kartoffeln und entdeckt später, dass sich eine faule darunter befindet, die man in den Abfall gibt.

Die Abhängigkeit des Individuums innerhalb eines formal funktionierenden Gesellschaftssystems manifestiert sich u.a. im Konsumverhalten, beeinflusst den Prozess der Identitätsfindung. Beispiel: Aufwertung des Bewusstseins durch äußeren "materiellen Habitus" (mein Reitpferd, mein Springbrunnen, mein Porsche). Irgendwann wird das nicht mehr hinterfragt, sondern wird als "gesellschaftsfähig" bzw. "normal" eingestuft/bewertet.
Was dabei herauskommt sind rein äußerlich die gleichen menschlichen "Partikel" wie bei Menschen mit ausgeprägtem Bewusstsein, und ausgeprägter Identität (kein Mitläufer, kein Mitmacher, weil es "alle" mitmachen).

Allein die Funktion ist gestört. Quasi ist der Mensch zu einer manipulierten "Skulptur" geworden, die keinen eigenen Antrieb mehr entwickeln kann. Sie ist falsch zusammengesetzt worden (gesellschaftliche Zwänge / Verhaltenszwänge).

PS: Ich hätte natürlich viel lieber ein Statussymbol demontiert als einen ausgedienten VW-Käfer. Die Gefahr indes, dass man von der Menge gesteinigt wird, ist natürlich viel größer. Leider ist dieser Aspekt nicht zum Tragen gekommen, aber ich hätte nicht davor zurückgescheut, einen fahrtüchtigen Aston Martin oder einen Lamborghini zu schrotten, was der Performance mit Sicherheit mehr Aufmerksamkeit gebracht hätte.

Merke: Ohne Skandale kann auch die Bildende Kunst trotz aller guten Absichten nicht wirksam werden....Es fehlt der "Aufreger"....